Dienstag, 22. Juni 2010

[Musik] Dota und die Stadtpiraten

Halb so schlimm, aber so was passiert halt, wenn man den ganzen Tag mit iPod-Kopfhörern in den Ohren durch Gegend läuft: man bekommt einfach den schönen Moment nicht mehr mit, in dem die (oder in diesem Fall der) Angehimmelte nach einem ruft. Man hätte sich vielleicht verliebt, wäre nach Südamerika ausgewandert, hätte sich dramatisch am Hafen wieder getrennt und dann - tja, was dann? Das alles werden wir nie erfahren. Denn das Ohrsteckermädchen verschwindet einfach in den Maschen der Netze der Stadt. Aber wenigstens hat sie gute Musik dabei gehört.
Das singt Kleingeldprinzessin Dota unbeschwert fröhlich, mit einem Hauch Melancholie in der Stimme. Fast vergisst man, dass hier, in diesem Lied, die große Liebe vielleicht gerade nicht stattgefunden hat.
Dorothea Kehr (Gesang und Gitarre) und ihre drei Stadtpiraten haben Anfang des Jahrs ihr neues Album Bis auf den Grund (iTunes/Amazon MP3) veröffentlicht. Und das executive summary lautet: verdammt gut geworden.

(Foto: Rodrigo Vazquez)

Zusammen mit Jan Rohrbach (Gitarre und Mini-Keyboard), Leon Schurz (Bass) und Nicolai Ziel (Schlagzeug) hat Dota 13 neue Stücke aufgenommen, Gastmusiker unterstützen das Quartett. Das ergibt einen herrlichen Sound für die eigentlich warme Jahreszeit. Mit Elementen aus Jazz, Reggae, Bossa Nova und Swing kommen die Lieder federleicht und wie nebenbei erzählt daher, ohne dabei aber substanzlos oder beliebig zu sein. Dota erzählt in ihren Liedern mit ehrlicher Lebensfreude von den kleinen und großen und ganz großen Gefühlen, von Alltagsdingen und von Tagträumen. Davon, dass alles nicht so schlimm ist, dass Das Leben wundervoll ist. Und dass es einfach weitergeht, aber dann bitte nicht "einfach weiter so." Erschlossenes Land in den Köpfen wollen die Stadtpiraten nicht. Schön selber denken und immer in Bewegung bleiben, Tempomat und Autopilot an und weiter geht's. Doch die Bodenhaftung verlieren sie dabei nicht, und in im Titeltrack schaut Dota wehmütig der Liebe nach, in die Ferne und überhaupt Bis auf den Grund. Utopie hört sich bei ihr dann so an:
Ich versteh' hier so viel:
Geld ist Tyrannei.
Es geht nicht um ein Stück vom Kuchen
Es geht – um die ganze Bäckerei!
Alle Liedperlen sind verpackt in eine wunderbar lyrische Sprache voller Satzakrobatik und Worjonglagen, so dass man beim Zuhören im Booklet die schönsten Stellen anstreichen möchte, nur um am Ende des Liedes feststellen zu müssen, dass man schon wieder den gesamten Text markiert hat. Jeder Song hat seine ganz eigene Stimmung und doch passen sie alle perfekt auf dieses schön arrangierte und wunderbar runde Album. Wer das kauft, macht alles richtig.
Dem bleibt dann aber leider auch nichts anderes übrig als am 30. Juli zum Hofbauernhof in Loßburg-Schömberg zu fahren. Da spielen Dota und die Stadtpiraten nämlich live und open air. Karten gibt's schon im Vorverkauf und an der Abendkasse und wie immer gilt: Müssen alle mit.


Samstag, 5. Juni 2010

[Spiel] Carcassonne

Selten war der Preis Spiel des Jahres gerechtfertigter als 2001. Da ging die prestigeträchtige und verkaufsfördernde Trophäe nämlich an Klaus-Jürgen Wredes Legespiel Carcassonne (Amazon/Wikipedia) und das Brettspiel ist seitdem zu einem meiner liebsten geworden. Zahlreiche Partien im Familien- und Freundeskreis wurden um die Hoheit über Städte, Straßen, Kloster und Wiesen im namensgebenden Teil Südfrankreichs ausgefochten und gerade die simplen Regeln verbunden mit der enormen Spieltiefe machen den Reiz dieses (und jedes guten Spiels!) aus.
Ziel von Carcassonne ist es, durch geschicktes (An-)Legen der 71 mit Klöstern sowie Stadt-, Straßen-, Wiesen- und Wegteilen bedruckten Karten nach und nach die mittelalterliche Landschaft von Carcassonne zu bauen. Nach dem Legen platziert man einen seiner zu Beginn sieben Gefolgsleute auf dem gelegten Plättchen und sichert sich so die Hoheit über das Bauwerk. Doch Punkte und den Holzleibeigenen zurück gibt's nur, wenn Stadt, Straße oder die Klosterländereien fertig gestellt sind. Schnell steht man nach einem anfänglichen Bauwahn ohne Untertanen und mit halbfertigen Monumenten da. Und der Gegner kann auch die Herrschaft über bereits sicher geglaubte Teilabschnitte erobern - durch gewieftes Legen werden aus zwei separaten Straßen plötzlich eine und statt friedlich nebeneinander zu bauen, kann nun keiner mehr die Maut einsacken. Und auch wenn nur noch zwanzig Plättchen zu spielen sind, kann der vermeintliche Favorit noch ins Hintertreffen geraten. Ein herrliches Taktikspiel!
Wie sehr war ich also begeistert, als ich in Games und so hörte, dass die Coding Monkeys an einer Umsetzung für das iPhone, den iPod touch und das iPad schrauben. Und es ist großartig geworden! Carcassonne (iTunes-Link) spielt sich sowohl auf dem iPhone als auch dem iPad hervorragend - und dass selbst, obwohl die App noch nicht "universal" ist und auf dem iPad gezoomt wird. Die Plättchen liegen aber bereits in einer hohen Auflösung vor und so verschmerzt man die Wartezeit bis zum Update. Zumal der Einführungspreis von 3,99 € auch gleichzeitig das Update auf die Universal-App (die dann 7,99 € kosten wird) beinhaltet.
Neben einem netten Solospieler-Modus sind es vor allem die zahlreichen Möglichkeiten, gegen menschliche Herausforderer anzutreten, die den enormen Suchtfaktor des Spiels ausmachen. Entweder über einen Hot-Seat-Modus, im lokalen Bluetooth- oder WLAN-Netz oder übers Internet gegen Freunde. In diesen drei Modi gibt es keine Zeitbegrenzung für den eigenen Zug, die App pusht fröhlich die Nachricht, wenn der Gegner seine Karte platziert hat. Im Quick Play genannten Modus gegen Spieler weltweit gilt dagegen ein Limit von einer Minute pro Zug.
Nach nur einem Tag mit dem Spiel ist es schon nicht mehr wegzudenken. Zwei Partien spiele ich gerade parallel, die Wartezeit auf meinen Zug vertriebe ich mir mit Quick Plays. Die Animationen, die Sounds, die UI, alles ist liebe- und stimmungsvoll umgesetzt. Gerade durch den Online-Aspekt wird das Spiel seiner Brettspielvorlage mehr als gerecht.
Wer ein mal ein Spiel gegen mich antreten möchte: Nur zu! Spieleinladungen einfach an carcassonne@nitramred.de senden - wir sehen uns in Carcassonne!